Die BLAUE KARAWANE

Das Prinzip „Non delegata“ , d.h. die Definitionsmacht der Experten zu überwinden und Möglichkeiten zu schaffen, dass Betroffene zu Beteiligten werden, ist das gemeinsame Prinzip der italienischen Anti-Psychiatrie und der italienischen Arbeitermedizin in den 70-er Jahren der 20. Jahrh. . Aus dieser Idee heraus entstand die europäische Gesundheitsbewegung jener Jahre.Die BLAUE KARAWANE wie diejenigen Gruppen, die sich der betrieblichen Gesundheitspolitik widmeten, sind ein Teil dieser Bewegung. Wolfgang trat in diesem Zusammenhang schon beim Bremen Gesundheitstag 1984 auf. 1994 nahm er 14 Tage an der BLAUEN KARAWANE 1994 teil, die von Leipzig nach Bremen führte. Mit wissenschaftlichen Beiträgen begleitete er dieses Projekt.

Schon mit der BLAUEN KARAWANE 1994 weitete sich der Blick über die Behinderten und Psychiatrie-Erfahrenen aus auf andere „Randgruppen“ der Gesellschaft – wie Ausländer, Suchtgefährdete, Haftentlassene, Arbeitslose. Mit bunten, phantasievollen Aktionen um das große BLAUE KAMEL – das etwas ver-rückte aber aufmerksam dreinschauende „Wüstennarrenschiff“ erregte die BLAUE KARAWANE immer wieder Aufmerksamkeit und sensibilisierte die Öffentlichkeit für die Wahrnehmung der Existenz und Qualität ausgegrenzter Menschen. 2003 konnten die Mitglieder der BLAUEN KARAWANE im Speicher XI der Bremer Überseestadt ihre BLAUE KARAWANSEREI einrichten mit Werkstätten, Ateliers, Tagungsräume und Cafe. Hier begegnen sich Menschen aus unterschiedlichsten Lebensbezügen im sinnvollen Tätigsein, beziehen sich aufeinander, gestalten ihren Alltag und ihre Festtage. In einer Kombination von Phantasie, Fröhlichkeit, kritischer Sicht auf gesellschaftlicher Verhältnisse mischt sich die BLAUE KARAWANE mit öffentlichen Veranstaltungen ein in die Veränderung der Gesellschaft für die Durchlässigkeit ihrer inneren Grenzen zwischen den Menschen. Dazu soll auch eine neue ausgedehntere Karawane dienen, die für das Jahr 2006 vorbereitet wird. Unsere tägliche Berührung und Auseinandersetzung mit dem bedrängendem Problem der Erwerbslosigkeit führte Wolfgang zu erneuertem Kontakt mit der BLAUEN KARAWANE. Seit 2005 engagiert sich Wolfgang wieder verstärkt bei uns. Er war verantwortlich für die Vorbereitung und Durchführung zweier vielbeachteter Veranstaltungen zum Themenkomplex „Arbeit, Arbeitslosigkeit und psychische Erkrankungen“ mit jeweils über 100 Teilnehmern. Unsere Erfahrungen im Alltag unseres Lebens in der BLAUEN KARAWANSEREI erhielten ihre gesellschaftliche Relevanz durch die wissenschaftliche Forschung von Wolfgang. Sein aufgearbeitetes Zahlen- und Datenmaterial führt ihn zu der These: Die durch Globalisierung und Flexibilisierung wieder inhumaner werdenden Arbeitsbedingungen und Arbeitsmarktbedingungen machen die Menschen kaputt und es ist geradezu absurd, diese Menschen wieder in dieselben Arbeitsverhältnisse re-integrieren zu wollen.

Wolfgang leistet mit seiner wissenschaftlichen Arbeit eine für uns notwendige Kontrolle, Korrektur oder Festigung der Sichtweise für unser Handeln. Wir hoffen auf und freuen und über weitere wissenschaftliche Begleitung durch Wolfgang Hien.  

Anne-Kathrin Pramann